Die Ausstellungsmacher (von links): Trudy Räber, Edith Habermacher, Daniel Oberholzer
Mit der Vernissage vom 4. Mai 2018 wurde die Ausstellung von Edith Habermacher bei Schumacher Weine in Neudorf erfolgreich eröffnet. Sie dauert noch bis zum 24. Juni 2018.
Am Samstag, 26. Mai 2018 ist die Künstlerin den ganzen Tag anwesend.
PFINGSTBILD
Edith Habermacher ist neugierig. Die Künstlerin verlässt Komfortzonen und wagt Neues. Sie vergleicht die Malerei mit einer Abenteuerreise.
von Irene Zemp-Bisang, Willisauer Botet, 18. Mai 2018
Am Anfang steht eine weisse Leinwand. «Jedes Bild ist ein Neubeginn», sagt die Willisauerin Edith Habermacher. Einst habe sie diese Leere gelähmt. «Ich stand davor und wusste nicht wo beginnen.» Heute geniesse sie die Freiheit. «Ich lerne, mich mit jedem Bild neu zu orientieren, Entscheidungen zu treffen, dranzubleiben und loszulassen.» Zu Beginn sei der Ausgang ungewiss. «Ich weiss nicht, was mich erwartet.» Sie habe kein fertiges Bild im Kopf. Die 60-Jährige malt Acryl. Die Möglichkeiten seien schier unendlich. «Ich mag den spielerischen Umgang mit den Farben.» Dazu kommen Spuren, die sie mit unterschiedlichen Materialien legt. Von Asche und Sand über Tapeten und vieles mehr. «Ich tauche ein und entdecke Neues.» Sie wolle sich nicht selbst kopieren. «Ich wähle immer wieder den Weg aus der Komfortzone und versuche, mich selbst zu überraschen.» Dabei sei sie nicht auf der Suche nach einem eigenen Stil. «Ich will mich nicht festlegen.»
Der Technikwechsel
Vor einigen Jahren noch sahen ihre Bilder komplett anders aus. Edith Habermacher malte Aquarell. Landschaften, Porträts, Stillleben. Dann legte sie den Pinsel für einige Jahre zur Seite. Zu dieser Zeit zogen ihre beiden Söhne Cédric und Etienne aus dem Elternhaus aus. Edith Habermacher suchte eine neue Aufgabe. Diese fand sie als Aktivierungstherapeutin in einem Alterszentrum. Damit schlug die gelernte Grafikerin beruflich einen neuen Weg ein. Der Kontakt mit den betagten Men schen habe sie bereichert. Dennoch kehrte sie knapp zehn Jahre später zu ihren Wurzeln zurück. Seither arbeitet sie drei Tage pro Woche im Atelier in ihrer Wohnung in der Willisauer Sonnrüti. Sie gestaltet abstrakt. «Die Acrylmalerei öffnete mir neue Türen.» Im Gegensatz zum Aquarell gäbe es hier kein richtig oder falsch. «Ein Bild in Acryl lässt sich nicht tot malen.» Edith Habermacher malt Schicht um Schicht. Sie spachtelt, giesst, pinselt, rollert und kratzt. Sie bleibt dran, bis das Resultat für sie stimmig ist. Das brauche manchmal Zeit. Kommt sie nicht weiter, stellt sie das Bild in eine Ecke. Imme wieder holt sie «ihre Patienten» hervor. Tage, Wochen, gar Jahre später kommt sie zu einem Ende. Auch beim Pfingstbild auf der Front- seite dieser WB-Ausgabe musste Edith Habermacher neue Wege suchen. «Der erste Versuch war eine Baustelle.» Sie wählte die Farben Gelb, Orange und Rot – und übermalte diese schliesslich komplett. Edith Habermacher malt oft am Boden. Hier hat sie die Bewegungsfreiheit, die sie sich wünscht. Sie wechselt regelmässig die Perspektive. «Die Schichten geben einem Bild eine Geschichte.» Sie habe das Pfingstbild in der Erinnerung an Bergtouren gemalt. An das klamme Gefühl im Gebirge, wenn dunkle Wolken aufziehen und sie die Strecke nicht kennt. Trotz der Unsicherheit überwiege das positive Gefühl im Bauch, dass alles gut gehen werde. Diese Zuversicht passe zu Pfingsten. Die positive Lebenseinstellung prägt die Bilder von Edith Habermacher. Sie will nicht schwarzmalen. Sie wählt harmonische Farbtöne.
Der Schritt aus dem Atelier
Edith Habermacher gibt ihren Bildern keine Namen. Zu individuell seien die Interpretationen, zu unterschiedlich die Wahrnehmung. «Ich will dem Be- trachter keine Richtung vorgeben.» Es sei immer wieder spannend zu hören, was andere in einem Bild sehen. «Das Gespräch darüber ermöglicht einen Zugang zum Betrachter.»
Im Moment stellt die Willisauerin eine Auswahl ihrer Bilder in den Räumlichkeiten von Schumacher Weine in Neudorf aus. Sie sucht regelmässig Möglichkeiten, um ihr Schaffen Interessierten zugänglich zu machen. «Ich möchte nicht nur im Stillen arbeiten.» Doch der Schritt aus dem Atelier mache sie auch kribbelig. «Es ist, als würde ich einen Teil meiner Seele ausstellen.»
Der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich sind ihre Druckarbeiten. Ihre zweite Leidenschaft neben der Malerei. Edith Habermacher arbeitet ohne Druckpresse, sondern verwendet unter anderem Gelatineplatten und Plexiglas als Druckstöcke. Sie kombiniert verschiedene Verfahren und entwickelt ihre Techniken stetig weiter. «Die Experimente befruchten meine Arbeit auf Leinwand, sie machen mich mutiger und wecken die Lust auf neue Abenteuer.»
Nomadin schlägt Wurzeln
Die Willisauerin hat schon als kleines Mädchen oft gestaltet. «Während andere mit Puppen spielten, griff ich zum Farbstift.» Sie sei kein besonders mutiges Kind gewesen. Doch sie lernte schon früh, sich auf Neues einzulassen. Ihr Vater arbeitete als Ingenieur in ei nem internationalen Konzern. Edith Habermacher wurde im Belgisch-Kongo geboren, später zog die Familie nach Argentinien. Im Vorschulalter kehrte sie in die Schweiz zurück. Doch auch hier wechselte die Familie mehrmals den Wohnort. «Ich konnte nirgendwo Wurzeln schlagen.» Erst mit der Heirat mit Thomas Habermacher sei sie sesshaft geworden. In Willisau fühlt sie sich heute zu Hause. Doch ihre Neugier ist geblieben. Sie scheut sich nicht, aus dem Alltagstrott auszubrechen und unternimmt gerne Wanderungen in ihr unbekannte Gebiete, lernt Leute kennen oder entdeckt die Umgebung mit ihren Enkelkindern neu. Hier erlebe sie immer wieder Glücksmomente. Ebenso im Atelier. «Dann etwa, wenn ich einen Schritt ins Ungewisse wage und das Resultat gelingt. Damit öffnet sich für mich eine neue Tür, ein neues Gestaltungsfeld tut sich auf.»